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  • Kerstin

29. April: Der, die, das

Es gibt Themen, die will man manchmal gar nicht ansprechen – zu gewiss ist die Gewissheit, dass eine emotionale Debatte entsteht. So war das beispielsweise damals bei der Neiddebatte rund um die Impfreihenfolge. Ich wage es trotzdem: Heute geht es um gendergerechte Sprache.


Ich habe dazu eine sehr klare Meinung, wie diejenigen, die sich die Freitagsmail regelmäßig zu Gemüte führen, sicher längst bemerkt haben. Ich diskutiere auch sehr gerne über die Vor- und Nachteile des Gendersternchens und der Auswirkungen von Gender(un)gerechter Sprache auf die Gesellschaft. Noch lieber entdecke ich aber, wie das Thema in anderen Sprachen so gehandelt wird. Das ist nämlich wirklich interessant. Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Sprachen gibt es im deutschen schließlich einen neutralen Artikel – wir hatten sprachlich also sozusagen schon immer die Möglichkeit, genderneutral und damit inklusiv zu sein. Warum wir allerdings Das Mädchen sagen, erschließt sich mir bis heute nicht… (Wer mir jetzt erklären möchte, dass das Wort Mädchen eine Verniedlichungsform von Magd sei, welche ja eindeutig weiblich ist, darf gerne in die Intensivdiskussion mit mir einsteigen, wie und warum Weiblichkeit in der deutschen Sprache abgewertet wird. Aber das erspare ich Euch an dieser Stelle).

In anderen Sprachen wurde hingegen auf Artikel gänzlich verzichtet. In Polen, Slowenien, Usbekistan oder der Türkei zum Beispiel. Oder Im Finnischen, da bestimmt grundsätzlich der Kontext, ob und wenn ja wo auf dem binären Spektrum man sich gerade befindet. In Finnland ist es schlicht nicht relevant ob die Sonne wirklich DIE Sonne ist, oder DER oder DAS oder irgendetwas dazwischen. Na gut, im Winter ist da oben im Norden noch nicht mal das Wort Sonne irgendwie relevant – schlechtes Beispiel…aber Ihr erkennt das Prinzip.


Auch im englischen haben wir, im Gegensatz zum Deutschen, deutlich häufiger die Möglichkeit, uns sprachlich aus der für nicht wenige Menschen beengenden Binärität zu befreien. Zum einen gibt es natürlich nur den einen Artikel, im Gegensatz zu unseren dreien, die allen deutschlernenden das Leben so schwer machen. Zum anderen kann man sich aber auch aus der er/sie-Falle lösen, indem man das neutrale Pronomen „They/their“ benutzt. Was in vielen Fällen übrigens längst im gängigen Sprachgebrauch angekommen ist. Beispielsatz: „who has lost their jacket?“ anstelle von „who has lost his or her jacket”

Ich finde das toll. Mit nur einem kleinen Wort öffnet man Sprache für alle. Man muss nicht dazu sagen, dass irgendjemand „mitgemeint“ ist, sondern man darf wirklich alle mitmeinen.


Was ich noch toller finde ist, dass viele meiner Mitmenschen das auch so sehen. So haben wir gestern beschlossen, diese unscheinbaren Änderungen, die aber für einige Menschen eben nicht unscheinbar, sondern lebenswichtig sind, als Standardtext in unsere klinischen Studienmaterialien aufzunehmen und wo immer es geht die Sprache geschlechtsneutral zu gestalten. Eindeutig mein Highlight der Woche. Ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer für – na Ihr wisst schon. Und bei dem Bildchen im Anhang ist nun wirklich alles egal.


Genießt das Wochenende!




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