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  • Kerstin

16. April 2021: Neiddebatten

Ich bin ein bisschen sauer. Da habe ich über Ostern knapp zwei Wochen lang einen der fantastischsten Urlaube meines Lebens gemacht – Ihr wisst schon, so eine Reise, die man normalerweise auf sämtlichen Social Media Kanälen in Form bezaubernder Fotos teilt. Und in diesen Zeiten traue ich mich einfach nicht, den Leuten (zumindest denen in Deutschland) davon zu berichten und mir die Facebook-likes abzuholen, die so einen wohligen Dopamin-/Serotoninausstoss bewirken.

Und warum nicht?

Ich möchte andere nicht neidisch machen.


Und jetzt muss ich mal mit mir selber schimpfen. Was soll das denn?!? Es hat doch wirklich niemand etwas davon, wenn ich mich nicht über meinen Trip zu Schildkröten, Wasserfällen und Vulkanen freuen kann. Das bringt andere auch nicht in den Urlaub, und ich tue nichts anderes als mir die Freude am Erlebten zu nehmen.

So. Und das macht mich ehrlich gesagt nicht nur ein bisschen, sondern richtig sauer. Und ich muss mich ja mal ganz ehrlich fragen, was es mit diesem Neid so auf sich hat. Zeit also, sich mal wieder mit Semantik zu beschäftigen und dem Neid mal auf den Grund zu gehen.


Wenn ich mir das nämlich genau überlege, dann reden wir gar nicht über Neid, sondern über das deutlich destruktivere Geschwister, über Missgunst. Neid an sich ist ja gar nicht schlecht: Wir wünschen uns etwas zu tun oder zu besitzen, was nicht wir, sondern jemand anders tut oder besitzt. Das ist ja erstmal nicht schlimm, sondern kann, ganz im Gegenteil, richtig viel in Gang setzen. Mehr Impfdosen kaufen und verteilen zum Beispiel, liebe EU…


Schwieriger wird es dagegen, wenn zum Neid noch Missgunst kommt. Um bei aktuellen Themen zu bleiben, ist die Debatte um mögliche Privilegien für Geimpfte für mich das beste Beispiel einer Missgunst-Debatte. Es ist nun mal nicht möglich, alle sofort zu impfen. Warum aber sollten dann die Geimpften die ihnen verfassungsgemäß zugesicherten Freiheiten nicht wieder wahrnehmen dürfen, auch wenn andere noch warten müssen? Auch wenn sich das natürlich erstmal gemein und ungerecht anfühlt, wenn man selbst noch nicht dran ist – ungerecht ist aber doch eher der Fakt dass nicht genug Impfstoff da ist (und auch noch einige Impfstoffe wegen extrem seltener Nebenwirkungen gerade nicht verteilt werden – aber über Nutzen-Risiko-Abwägung in Pandemiezeiten rege ich mich an anderer Stelle auf, sonst wird das hier ein Roman), und nicht, dass wir den Menschen frühestmöglich, aber eben nicht gleichzeitig, ihre Freiheiten wiedergeben könnten . Wie mer Kölsche sagen: Mer muss och jünne künne. Finde ich jedenfalls. Wenn es anderen gut geht, hilft das in beinahe allen Fällen auch mir selbst irgendwie.


So. Was bedeutet das jetzt für mich und meine innere Neid-Debatte?

Zeit, eben diese nicht mehr zu führen. Ich habe gelernt, dass Neid etwas positives ist, Dinge in Bewegung setzen und Veränderung hervorrufen kann. Ich bin zum Beispiel sehr neidisch auf den Ideenreichtum des Schulkindes, welches die Hausaufgabe im Anhang verfasst hat und werde mich von dieser Kreativität inspirieren lassen. Wer mir oder anderen einen Urlaub oder eine COVID-Impfung allerdings nicht gönnt, dafür habe ich ab sofort nur noch wenig Verständnis. Vor allem habe ich kein Verständnis mehr für meine Furcht vor Neid.


Also: Wer Urlaubsfotos aus Hawai’i sehen und sich davon inspirieren lassen möchte, darf sich gerne bei mir melden. Bald dürft Ihr auch wieder raus. Die Welt wartet auf Euch – haltet weiter durch!!


Inspirierte Grüße zum Wochenende!




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