29. Mai 2020: Die Freundschaftsmail
- Kerstin
- May 29, 2020
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Gestern Nachmittag. Ich war mit dem Kind des Hauses draußen, etwas frische Luft und Bewegung tanken nach einem anstrengenden Tag im Homeoffice und in der Home-School. Mehr aus einer Laune heraus habe ich sie gefragt, welches Thema ich denn am Abend in der Freitagsmail aussuchen soll – nicht dass sie diese Mail lesen, geschweige denn sich für Themen wie runde Tore, Gasfei im Tal oder geschockte Kultur wirklich interessieren würde. Dennoch kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „ Schreib doch was über Freundschaft!“
Und das ist doch wirklich ein Thema, welches eine eigene Freitagsmail verdient. Auch, oder vielleicht insbesondere, aus den Augen eines achtjährigen Mädchens, die seit vielen Monaten mit ihren deutschen Freund:innen und seit vielen Wochen mit praktisch allen Freund:innen nur noch über einen kleinen Bildschirm interagieren kann. Und das ist wirklich nicht besonders einfach, wenn Freundschaften, wie in diesem Alter üblich, vorwiegend durch gemeinsames Tun definiert werden, und weniger über verbale Kommunikation. Ich kann gut verstehen, dass Freundschaft in den letzten Wochen und Monaten für sie zu einem ganz zentralen Thema geworden ist.
Aber eben nicht nur für die kleineren und kleinsten unserer Welt. Wir „Erwachsenen“ brauchen Freundschaften mindestens ebenso sehr. Und zwar, nicht nur die Buero- und Nachbarschafts-Freundschaften des Alltags, sondern auch die Freundschaften, die immer so romantisiert werden: Da hat man sich jahrelang nicht gesehen, und dennoch fühlt es sich im ersten Moment schon wieder an wie immer.
Und ich sag euch was: Die Romantik funktioniert auch über (Video)Chat! Je weniger wir uns physisch sehen können – und das betrifft ja vor allem die täglichen Freundschaften – desto mehr besinnt man sich auf diese langjährigen, oft vielleicht gar nicht so wahnsinnig gut gepflegten, Verbindungen zu Menschen aus der Vergangenheit.
Ich persönlich habe in den letzten Wochen deutlich mehr Kontakt zu einigen dieser „alten“ Freundinnen und Freunde gehabt als in den Jahren zuvor. Weil der Alltag plötzlich so anders, so ungewohnt, so neu ist. Da tut ein bisschen Komfortzone aus der Vergangenheit einfach gut und gibt die Sicherheit, Geborgenheit und Energie, die wir alle derzeit nötig haben.
Für mich bedeutet das aber auch, dass ich diese Basis dem Kind im Hause auch geben möchte. Freundschaften, ein soziales Netz, welches sich in der Kindheit beginnt zu bilden, und welches uns unser ganzes Leben den so wichtigen doppelten Boden für Ausnahmesituationen bieten kann. Dieses wirklich nachhaltig aufbauen zu können, erfordert gemeinsame Zeit und gemeinsame Erlebnisse eben nicht nur über Bildschirme.
In diesem Sinne verabschiede ich Euch ins Wochenende und hoffe auf viele gemeinsame Erlebnisse und gemeinsame Zeit mit denen die Euch wichtig sind – natürlich nur mit Maske und 1,50m (bei Euch) bzw. 6 feet (bei uns) Abstand. Denn das gibt nachhaltige Komfortzone, wann immer Ihr sie in ein paar Jahren mal braucht.
So. und damit Ihr nach so viel Philosophieren nicht das Schmunzeln vergesst, gibt es natürlich noch einen Anhang. Zum gemeinsamen Schmunzeln unter Freund:innen.
Frohe Pfingsten!


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