22. Oktober 2021: Assimilierungen

Das Kind des Hauses hatte Geburtstag. Es war bereits der dritte auf dieser Seite des Atlantiks – wie schnell doch die Kinder groß werden!

Selbstverständlich wurde gebührend gefeiert – so wie jedes Jahr, aufwecken mit Kuchen, Kerzen, Ständchen und Geschenken. Und – ebenfalls wie in jedem Jahr – mit einem Kindergeburtstag. Den gibt es morgen.

So ganz wie jedes Jahr ist der dann aber doch nicht. Das liegt nicht nur daran, dass das Kind des Hauses logischerweise älter wird. Sondern vor allem, dass wir uns – und hier wird es nun gerade ziemlich deutlich – in einem kulturellen Assimilierungsprozess befinden.

Ich erinnere mich noch gut an den Kindergeburtstag, den wir vor zwei Jahren ausgerichtet haben. Selbstverständlich wurden alle Kinder am Nachmittag zu uns nach Hause eingeladen, es gab Kuchen (und die amerikanischen Kinder waren verwirrt, dass es den Nachtisch vor dem eigentlichen Essen gab) und anschließend liebevoll organisierte Spiele in Form einer Schatzsuche. So wie immer eigentlich.

Morgen fahren wir zu Sky Zone. Amerikanischer Event-Geburtstag. Man mietet 90 Minuten Trampolinspringen unter Aufsicht, anschließend gibt es für maximal eine Stunde einen Raum zum weiter“feiern“, was im Grundsatz aus 2 Stücken Peperoni Pizza pro Kind und einem Stück farbenfrohen Schokokuchen mit Happy Birthday-Aufschrift besteht. Und dann fahren alle schnell wieder nach Hause – Geschenke werden am Anfang in eine Kiste gestellt und vom Geburtstagskind allein zu Hause ausgepackt.

Als ich eine solche Feier zum ersten Mal erlebt habe, fand ich es furchtbar. Lieblos, zu viel Event und zu wenig echte Beschäftigung mit den Kindern.

Inzwischen weiß ich: Nur weil es anders und vor allem ungewohnt ist, ist es nicht schlechter. Und das nicht nur beim Kindergeburtstag. Inzwischen ärgere ich mich beispielsweise überhaupt nicht mehr darüber, dass mich auf den Highways schonmal ein Auto rechts überholt – es ist weder verboten noch besonders gefährlich, wenn man den amerikanischen Straßenverkehr ein wenig verstanden hat. Oder dass man hier eher mit (Papier-)Schecks bezahlt als per Überweisung. Das fühlt sich zwar old fashioned an, funktioniert aber genauso schnell.

Natürlich gibt es Dinge, die werden auch durch Gewöhnung einfach nicht besser, und über die lässt es sich ganz trefflich und sehr genussvoll aufregen. Aber das trifft ja glücklicherweise auf jedes Land und jede Kultur der Welt zu – diesseits des Atlantiks sind das eben orangenhäutige Idioten, jenseits des Teiches Aluhut-Querdenkende.

Und da das Kind des Hauses mit einer amerikanisch-übertriebenen Trampolin-Veranstaltung mindestens genauso glücklich wird wie durch einen liebevoll organisierten Spielenachmittag, ersparen die beste Frau der Welt und ich es uns gerne, das Haus morgen Abend vollständig aufräumen und putzen zu müssen. Da haben doch alle was davon.

Übrigens: zum Geburtstag gab es Theaterschminke. Wir haben schonmal ausprobiert – siehe Anhang. Halloween kann kommen.

Genießt das Wochenende!