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  • Kerstin

21. August 2020: Enttäuschungen

Meine Oma sagte immer: Das Leben ist eines der Härtesten. Ich glaube wir sind uns alle einig, dass sie den Spruch im Jahr 2020 nicht nur einmal gesagt hätte, sondern wahrscheinlich mindestens alle zwei Wochen. Mit was für Erwartungen wir doch in dieses Jahr gegangen sind. Und dann kam alles anders. Keine Besuche aus und kein Urlaub in der Heimat, statt dessen Homeschooling und Staycation. Vorgestern dann die Nachricht dass selbst das Hybrid-Model des Schuldistrikts (2 Tage Präsenz, 3 Tage Homeschooling) vorerst nicht stattfindet, sondern wir in gut zwei Wochen zurück an den Küchentisch und das Kind des Hauses irgendwie davon überzeugen müssen, dass Lernen mit Mama und Kerstin auch Spaß macht. Seufz.

Ganz andere Enttäuschungen gibt es in der hiesigen Politik zu verkraften (ohne Politik gehen die Freitagsmails derzeit nicht. Da müsst Ihr durch). Jetzt haben die Demokraten endlich wieder eine Lichtgestalt an (zweit)vorderster Front, die so viel Charisma hat, dass sie selbst mit dem großartigen Redner Barack Obama mithalten und auf Großveranstaltungen die Massen so richtig mitreißen kann – und dann findet die Demokratische National Convention, zum ersten Mal überhaupt, nur virtuell statt. Die Convention ist sozusagen der Bundesparteitag, bei dem Delegierte aus allen Bundesstaaten und Territorien die demokratischen (Vize)Präsidentschaftskandidat:innen küren.

Für uns Deutsche, die Politik nicht unbedingt mit Enthusiasmus, sondern eher mit störrischer Ernsthaftigkeit angehen, ist das in der Regel ein seltsam anmutendes Spektakel. Da wird eine riesige Veranstaltungshalle gefüllt mit teilweise bunt kostümierten Delegierten, die in langer, turbulenter Abstimmung eine „Wahl“ durchführen, dessen Ergebnis seit Wochen feststeht. Gespickt wird die Veranstaltung mit USA-Flaggen, tausenden Plakaten, selbstverständlich der Nationalhymne und oft stundenlangen, meist mehr und mal weniger mitreißenden Reden, die die Massen der Anhänger zu Begeisterungsstürmen führen. Ganz großes Kino.

Und diesmal? Keine Emotionen, kein Applaus? Keine chaotische Abstimmung?

Die Demokraten haben das Spektakel kurzerhand umfunktioniert und aus der normalerweise zweitägigen Convention vor Ort ein viertägiges Fernsehevent gemacht. Der Roll call durch die Bundesstaaten war dabei eindeutig vom Eurovision Song Contest geklaut, was statt lustiger Kostüme und Chaos in der Halle eine wunderbare Reise durch das Land wurde – ohne lästige Zwischenrufe. Die Reden waren eine Spur leiser und intimer als sonst, aber nicht weniger eindrucksvoll und vielleicht sogar nachhaltiger in ihrer Wirkung. Neben der großen und wichtigen (??) Politik kommen in Einspielern auch mal unbekannte Menschen eine Stimme. Und das alles verteilt auf vier Abende in gut verdaulichen und oft sehenswerten zwei-Stunden-Häppchen.

Was sagt mir das also? Vor allem dies: Wer sich – nach angemessener Trauerzeit – mit Enttäuschungen nicht nur abfinden kann, sondern sogar neue Wege betritt, hat echte Chancen, Dinge zu ändern und oft sogar besser zu machen.

Und wenn Kamala Harris und Barack Obama sogar durch die Fernsehkameras die Menschen wahlweise von den Sesseln reißen oder zu Tränen rühren können, dann schaffe ich ja wohl noch ein paar Monate Homeschooling. Das wäre ja gelacht.

Motivierte Wochenende-Grüße!



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