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  • Kerstin

19. März 2021: Ich sehe was was Ihr nicht seht

Ich muss es einfach sagen: Derzeit bin ich froh, nicht in Deutschland, sondern in den USA zu leben.


Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Vor ziemlich genau einem Jahr wäre dieser Satz ja praktisch unvorstellbar gewesen. Da saßen wir hier im frischen Lockdown, ohne Klopapier, dafür mit einem orangenhäutigen Idioten im Weißen Haus, der die Situation nicht nur ver-, sondern nicht mal erkannte. Dem es völlig egal war, dass da so ein Virus die Weltherrschaft an sich reißt. Wir schauten neidisch nach Deutschland, wo schon Kurven geflattet wurden und augenscheinlich fähige, junge Politiker wie der Herr Spahn die Lage richtig einschätzten, die Bevölkerung aufklärten und alles ziemlich im Griff hatten, soweit man denn so ein Virus überhaupt im Griff haben kann. Deutschland bereitete sich auf einen entspannten Sommer vor, während sich hier alles hinter Masken und Häuserwänden versteckte und die amerikanische Welt im Chaos versank. Zwischenzeitliche COVID-Infektionsstatistik im April 2020: 127.584 positive Fälle in Deutschland vs. 981.246 in den USA. Klarer Punktsieg für Deutschland.


Tja. Und jetzt – zumindest suggerieren das sowohl die sozialen als auch die meisten anderen Medien – ist alles andersrum. Onkel Joe bewohnt das Weiße Haus, beschenkt die Bevölkerung mit ein paar hundert Dollar Schadenersatz und bringt mit Hilfe der Pharmaindustrie und cleveren Logistikunternehmen wieder Aufbruchstimmung ins Land. Während Deutschland und die EU in Maskenskandalen und Eiertänzen mit und gegen Astra Zeneca versinkt und der nette Herr Spahn nur noch wenig kompetenter scheint als der orangenhäutige Idiot (na gut, ich übertreibe. Aber es passt so gut in die Dramaturgie). Impfstatus im März 2021: 23% der US Bevölkerung mit mindestens einer Dosis, vs. 8,38% in Deutschland. Autsch – 1:1.


Was ist da passiert, frage ich mich. Zugegeben: Ich glaube ja, dass das derzeitige Chaos in Deutschland nur gefühlt so viel grösser ist als hier. Hier wird nur nicht (mehr) so viel darüber geredet, weil man sich hier eben viel ausgiebiger und vor allem viel lieber mit eigenen Erfolgen beschäftigt als mit den Fehlern anderer. Was zwar den großen Nachteil hat, dass viele Dinge unter dem Teppich landen (die manchmal beinahe unbemerkt zum Monster werden und einen irgendwann einholen – wer sich die amerikanische Geschichte anschaut, findet sehr, sehr viele Teppiche mit sehr, sehr vielen schrecklichen Dingen drunter). Aber eben auch den großen Vorteil, dass schnell eine Aufbruchstimmung aufkommt, die richtig mitreißend ist. Und dann melden sich auch schneller Freiwillige, die dabei helfen die Impfungen in die Arme zu bekommen. Dann werden ein paar Ärmel mehr hochgekrempelt und noch ein paar Meter (oder Yards) extra gelaufen, um das nächste Ziel zu erreichen. Und im Kopf ist etwas mehr Platz, um kreative Ideen zu entwickeln und Wege ins „new normal“ zu finden.


Und wenn ich in meinen Gedanken dann schon so weit gekommen bin, dann frage ich mich mal wieder, ob wir nicht doch das eine oder andere von diesen Amis lernen können. Ob eine Schippe mehr positives Denken und Lokalpragmatismus im eigenen Umfeld nicht auch zumindest ein wenig Ordnung ins föderalistische Chaos der Bundesrepublik bringen könnte? Auch wenn das die Astra Zeneca Thrombosen natürlich nicht beseitigen kann. Wobei – offenbar haben die sich ja nun ohnehin selbst beseitigt.


Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich glaube ganz ganz fest weiterhin daran, dass Deutschland eigentlich ALLES kann. Fußball, Wirtschaftswunder 1949 ff, Frauenwahlrecht – wir können das doch!! Nur bei einem Thema habe ich tatsächlich die Hoffnung aufgegeben: Das mit dem Internet wird einfach nichts. Die Digitalisierung wird in Deutschland nicht vor 2087 abgeschlossen sein. Frühestens. Es tut mir leid, da bin ich mir sicher.

Aber wenn wir selbst für dieses Thema kreative Lösungen finden (siehe Anhang), dann klappts bestimmt auch mit dem Impfen bald.


Damit verabschiedet sich die Freitagsmail für zwei Wochen in den wohlverdienten Urlaub und meldet sich gut gebräunt nach Ostern, Passah, Holi und Hana Matsuri wieder zurück.

Happy Frühling!




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