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  • Kerstin

18. Juni 2021: Brot und Spiele

Der Ballt rollt. Seit einer Woche ist das pan-europäische Spektakel unterwegs. Passend zur Pan-demie lädt die UEFA also in 11 Ländern das (un)geimpfte Volk ein, noch ein wenig mehr Geld in die eigenen Kassen zu spülen. Wer keine Zuschauer ins Station lassen wollte, wurde wenige Wochen vor Anpfiff kurzerhand ausgetauscht (Pech gehabt, Dublin). Und das ist ja auch vollkommen richtig so. Schon im alten Rom wusste man, dass Brot und Spiele den Pöbel vom restlichen Ungemach des Lebens wunderbar ablenken konnte. Und von der Bereicherung der oberen zehntausend beziehungsweise der UEFA-Funktionäre ganz genauso. Selbst Armin Laschet wird froh sein, dass Deutschland sich derzeit mal nicht mit ihm, sondern mit Mats Hummels‘ Eigentor beschäftigt.


Und ganz ehrlich: Es funktioniert ja. Wer möchte nicht nach 15 Monaten Kampf um Toilettenpapier, geschlossenen Schulen, Homeoffice am Küchentisch, Maskenpflicht und -skandal und (für uns Deutsche ja mit Abstand am schlimmsten) Reiseverboten endlich mal wieder im Biergarten so richtig auf die Kacke hauen und sich einfach nur mit der schönsten Nebensache der Welt beschäftigen – korrupte Funktionäre hin oder her.

Und schon nach einer Woche gibt es so viele diskussionswerte Ereignisse bei dieser Europameisterschaft. Gleich am Tag 2 wäre die Geldmaschine beinahe ins Stocken geraten. Der Defibrillator hat es am Ende nochmal rausgerissen, und als klar war dass niemand stirbt, wurden die restlichen Spieler schnell wieder auf den Platz geschickt. Show must go on, Team-Trauma hin oder her. Achtelfinale futsch für Dänemark – aber immerhin ein Leben gerettet. Das ist ja auch eine schöne Brot-und-Spiele Schlagzeile, die beinahe menschlich klingt.


Medizinische Notfälle sind unerwünscht, nicht nur bei den Funktionären. Wir brauchen Ablenkung vom Ernst des Lebens!! Da schauen wir doch lieber auf die wirklich bunten Ereignisse dieser modernen Gladiatorenspiele. Manuel Neuer trägt Regenbogen am Arm, und die ganze Mannschaft stellt sich bei der Hymne brav nach Schuhfarbe geordnet auf dem Rasen auf. Hilft aber auch nichts gegen Frankreichs Fußballtalente (die SZ titelte nach dem Spiel treffend: Talent schlägt Leidenschaft). Und die 83 Millionen Ex-Virolog*innen, die jetzt wieder Bundestrainer*innen sind, können nun erst recht über Dreier- vs Viererkette diskutieren statt über die Qualität von COVID-Schnelltests oder den Lebenslauf von Annalena Baerbock (Wieso schaut sich eigentlich niemand den von Herrn Laschet so genau an!?). Hach, wie angenehm.


Und so geht es weiter:

Während die Inzidenzen sich irgendwo bei 12 einpendeln, wird das deutsche Team zwar fantastisch aussehen, aber trotz der Menge an Biergarten-Unterstützenden nicht über das Achtelfinale hinauskommen. Wir werden mit den Belgiern mitleiden, die wieder mal trotz Favoritenrolle im Halbfinale rausfliegen. Wir bewundern die neue italienische Art, mit dem Ball nach vorne zu spielen statt ihn hinten zu blocken (was sie trotzdem nicht zu Europameistern machen wird). Und wir werden mit saurem Lächeln den Weltmeistern zuschauen, wie sie auch den Europameisterpokal in die Höhe stemmen. Und dabei irgendwo im Hintergrund die alten und neuen UEFA-Funktionäre am Bildrand erspähen, die wissen: Brot und Spiele funktioniert immer – besonders in der Pandemie.


Eingelullte Wochenendgrüße!




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