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  • Kerstin

11. Februar 2022: Zwei Seiten der Medaille

Sie sind wieder on fire. Oder besser gesagt, on ice. Oder on snow. Im, äh, „Wintersportland“ China sind die besten der besten ihrer winterlichen Sportarten dabei, höher, schneller oder weiter, oder einfach nur spektakulärer, zu springen, zu laufen oder zu fahren. Es ist Olympia.

Und nicht alle gehen hin.

Zum Beispiel die Staatsoberhäupter beinahe aller „westlichen“ Nationen gehen nicht hin. Was die Eröffnungsfeier zum Aufmarsch von Autokraten und mir nicht nur deshalb ein ungutes Gefühl macht.

Auch Medienvertretende gehen nicht wirklich hin. Beziehungsweise nur mit deutlich reduziertem Team – der Groẞteil der Fernsehbilder wird aus dem heimischen Fernsehstudio kommentiert. Das liegt zum Teil an befürchteten Beschränkungen der freiheitlichen Berichterstattung (warum das offenbar begründet ist, kann man hier recht gut nachvollziehen), zum anderen an den Pandemie-bedingten erschwerten Bedingungen. Das finde ich im übrigen wirklich interessant. Auch über Sportgrossereignisse kann also offenbar aus dem Homeoffice berichtet werden. Ein Kosten- und CO2-sparendes Konzept für die Zukunft?

Vor allem aber gehen Sportler*innen nicht hin. Allerdings ist das wohl die einzige Gruppe, die das NICHT freiwillig tut. Im Gegenteil: Viele wollen – und werden dann entweder in dreckige Quarantänehotels oder gleich wieder nach Hause geschickt.

Immerhin freuen sich die Offiziellen des IOC. The show goes on, die TV-Rechte sind bereits vor Jahren für viele Millarden vertickt worden und die Schulden zahlt das Gastgebendenland. Kasse stimmt.


Und das alles macht es dieses Jahr wirklich besonders schwer, sich für die Spiele so richtig zu begeistern. So ein bisschen fühlt sich das so an wie auf dem angehängten Bildchen: Es stimmt einfach was nicht. Dabei gibt es selbst bei dieser grotesken Ausgabe von Olympia wirklich schöne Geschichten zu bestaunen. Die des kanadischen Snowboarders Max Parrot zum Beispiel, der 3 Jahre nach seiner Krebsdiagnose nun Olympiasieger ist. Oder die der amerikanischen Bobfahrerin Elana Meyers Taylor, die wegen der Corona-Regeln nicht die Fahne ins Stadion tragen konnte und diese Ehre an Eisschnellläuferin Brittany Bowe weitergab – weil diese wiederum ihren Startplatz über 500m an Teamkollegin Erin Jackson gegeben und dieser somit die Olympiateilnahme überhaupt erst ermöglichte. Oder die von Rodler Felix Loch, der selbst „nur“ vierter wurde, aber danach seine Teamkolleginnen Geisenberger, Wendl und Arlt erfolgreich zur Goldmedaille schrie und sich mindestens so sehr freute wie sie selbst. Ein wenig Menschlichkeit inmitten der IOC-Olympia-Industrie tut einfach gut.


Es hat eben alles immer zwei Seiten. Und auch wenn in diesem Jahr bei Olympia die (aus meiner Sicht) dunklere Seite einen klaren Vorteil hat, kann (und will) ich dennoch nicht umhin, mich ueber die schönen, menschlichen, emotionalen Seiten zu freuen. Und zu hoffen, dass mit diesen Spielen der Bogen endlich soweit überspannt ist, dass Sportler*innen in Zukunft zumindest etwas mehr wieder in den Mittelpunkt gestellt werden und ich nicht erst mühsam nach der hellen Seite der Medaille suchen muss. Immerhin stelle ich selbst bei diesen Spielen wieder fest: Ganz vollständig kann man die olympische Idee nicht ersticken. Und das macht doch irgendwie Hoffnung auf bessere Zeiten.


Sportliche Wochenendgrüße!




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