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  • Kerstin

04. März 2022: Hilfe!

Eine Woche Krieg in Osteuropa, und irgendwie sind alle dabei. Das ist beinahe wie damals als die ganze COVID Sache anfing. Eine Woche Lockdown, und mal abgesehen davon dass einige Mitmenschen sich ums Klopapier kloppen mussten, schwappte andererseits eine riesige Welle der Hilfsbereitschaft durch die Welt. Man sorgte sich um die Eltern, ging für die Nachbarn einkaufen und traf sich zum Pflegekräfte applaudieren oder zum musizieren auf dem (jeweils eigenen) Balkon. Plötzlich waren wir alle Corona, vereint in der Misere; und damit waren wir irgendwie gar nicht mehr ganz so eingeschlossen.

Drei Wochen war das irgendwie romantisch, dann wurde es nervig, diese Einschränkungen. Und nach einem Jahr waren wir dann beiden Querdenkerdemos und die eine oder andere Freundschaft zerbrach beinahe an den Neiddebatten darüber, wer denn nun als erstes geimpft werden darf.


Und wenn ich mir diese Entwicklung so ansehe, frage ich mich, wie das mit der nächsten Krise des Weltgeschehens wohl werden wird, die nun gerade 8 Tage alt ist. Im Moment wird alles nur Mögliche getan, organisiert. Wir rücken zusammen, um Platz zu machen für die Menschen, die Hals über Kopf aus ihrer Heimat fliehen, um einem ziemlich verrückten Möchtegern-Zar und seinen Schergen zu entgehen, der gern zurück zum großrussischen Zarenreich möchte und dabei noch ein paar wertvolle Rohstoffe einstreicht. Wir läuten die Kirchenglocken, packen Hilfspakete und schalten die Lichter aus, um Zeichen zu setzen und die Menschen in der Ukraine moralisch und anderweitig zu unterstützen.


Diese Hilfsbereitschaft ist großartig. Wirklich. Trotzdem habe ich Fragen. Zwei, um genau zu sein.

Nummer eins: Warum ist es jetzt eigentlich so einfach, Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen, während wir 2015 und in vielen anderen Jahren den syrischen Menschen, denen exakt das gleiche Schicksal widerfuhr (und den afghanischen. Und den sudanesichen. Und all den anderen aus der ganzen Welt.) maximal ein paar Lager irgendwo am Stadtrand Zähneknirschen überlassen haben – oder noch besser, schnell die Augen von den unglaublichen Vorgängen an den EU-Außengrenzen verschlossen und uns lieber unserem Kinobesuch gewidmet haben?


Nummer zwei: Dieser Krieg wird wahrscheinlich nicht in 2-3 Wochen vorüber sein. Und möglicherweise für uns alle persönlich sogar noch bedrohlicher werden. Was macht das mit unserer Hilfsbereitschaft? Schaffen wir es, das kollektive Interesse auch weiterhin vor unser eigenes zu stellen? Werden wir verstehen, dass wir uns wahrscheinlich langfristig in vielerlei Hinsicht einschränken müssen, um diese Krise zu überstehen – und das ohne die Sicherheit, dass es besser wird?


Ich hoffe wirklich, dass wir begreifen, dass Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft uns am Ende weiterbringt als die Auswüchse des Individualismus, die wir in unserer Gesellschaft immer mehr erleben. Denn ich glaube zutiefst, dass wir am Ende die großen Krisen unserer Zeit nur im Kollektiv meistern können. Und da ich sehe, dass wir im Kleinen doch eigentlich immer ganz gut anfangen, werde ich weiterhin zuversichtlich bleiben, dass wir auch die dauerhafte Hilfsbereitschaft wieder lernen können. Gelegenheit dazu ist ja gerade wirklich vorhanden.


Hilfsbereite Wochenendgrüße – und herzlichen Dank an Myriam J. für die Bereitstellung des so passenden Schmunzlers im Anhang.





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