04. Dezember 2020: Maßarbeit
- Kerstin
- Dec 4, 2020
- 2 min read
Updated: Dec 5, 2020
Inzwischen leben wir schon mehr als 1 ½ Jahre auf der anderen Seite des Atlantiks – davon ungefähr die Hälfte in Quarantäne, aber immerhin – und es gibt ja wirklich so viele Dinge, an die ich mich gewöhnt habe. Zum Beispiel daran, dass die Küchenrollen hier ungefähr doppelt so viele Blätter zum Abreißen haben (und deshalb unser Küchenrollenständer aus Deutschland erst dann genutzt werden kann, wenn die Rolle halb verbraucht ist). Oder dass ein Stück vor einem Straßenschild, welches auf eine Gefahr, ein Hindernis oder einen Fußgängerüberweg hinweist, noch ein weiteres Schild steht, welches auf das bald auftauchende Gefahrenschild hinweist, welches dann auf die Gefahr hinweist. Geschenkt – das sehe ich schon kaum mehr, und mache mich dementsprechend auch nicht mehr darüber lustig. Sehr schnell gewöhnt habe ich mich daran, dass man beim Tanken nicht aus dem Auto steigen muss (weil es in New Jersey vorgeschrieben ist dass einE TankstellenangestellteR die Autos betanken muss, und nicht die Kund:innen), oder auch an den Kühlschrank mit Eiswürfelfunktion.
Woran ich mich aber einfach überhaupt gar nicht gewöhnen kann, sind diese amerikanischen Messeinheiten. Was soll denn das!? Die ganze Welt misst metrisch-logisch im gut nachvollziehbaren Zehnersystem. Selbst Kanada hat sich in den 1970erjahren dem Rest der Welt angepasst und misst jetzt in Milli-, Zenti- und Kilometern bzw. -gramm.
Aber hier? Wähnt man sich teilweise in der Prä-zivilisation, mit diesen Maßeinheiten in Fuß, Zoll oder Daumen.
Wenn man das wenigstens so ohne weiteres umrechnen könnte. Die Formel für die Temperatur fördert vielleicht noch das Kopfrechnen (das ist eigentlich ziemlich einfach: man nehme die Temperatur in Fahrenheit, davon 32 subtrahieren, Ergebnis durch 9 teilen und dann mit 5 multiplizieren. Ganz simpel). Aber warum sind denn ausgerechnet 12 Inch in einem Fuß? Und dann werden 3 Füße zu einem Yard und – jetzt wird’s richtig komisch – 1760 Yards zu einer Meile.
Wie soll man sich das denn merken?!?! Und ich fange jetzt nicht mit Kleider- und Schuhgrößen an.
Sorry. Da mache ich nicht mit, sondern hole kurzfristig mein tiefstes, arrogantestes Deutschsein hervor und weigere mich mit größter Entschiedenheit und vor allem mit ausgeprägtem Missfallen, diesen Quatsch mitzumachen. Das Bild im Anhang fasst meine Auffassung zu diesem Thema ganz gut zusammen.
Glücklicherweise können heutzutage moderne Computer, Telefone oder Autos das Umwandeln von bekloppter in vernünftige Maßeinheit in Millisekundenschnelle für mich vornehmen, sodass ich mich mit meiner Weigerung nicht in wie auch immer geartete Notlagen bringe. Und ich habe außerdem wieder einmal festgestellt, dass auch unser Gehirn ein wirklich beeindruckender Computer ist. Ob ich will oder nicht: ich weiß inzwischen, dass ich knappe sechs genormte Füße lang bin und dass man ab 100,4 Fahrenheit Fieber hat. Und wenn ich mich wirklich nach dem metrischen System sehne, dann unterhalte ich mich mit unseren forschenden Kolleg:innen im Labor. Die messen nämlich international – selbst in den USA. Und dann kann ich die vielen anderen, großartigen Eigenheiten dieses Landes jenseits des Atlantiks wieder genießen.
Genormte Wochenendgrüße!


Comments