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11. Juni 2021: Brandschaden

  • Kerstin
  • Jun 11, 2021
  • 3 min read

Diese Woche hatte es in sich: Ich hatte am Montag noch nicht richtig angefangen zu arbeiten, da erreichten mich News aus der alten Wirkungsstätte in Deutschland: Da hatte offenbar jemand vandaliert und die Regenbogenflagge, die jeden Juni den Campus fröhlich bunter macht, mit Streichholz und anderem Werkzeug zerstört.


Viele von uns macht das sauer. Zunächst mal ist vorsätzliche Sachbeschädigung grundsätzlich scheiße. Zum anderen ist das ein Symbol der Ablehnung eines bestimmten „Lebensentwurfs“ (in Anführungszeichen deshalb, weil das Wort Entwurf suggeriert, man habe sich rational dazu entschieden, wie man sich eben dazu entscheidet ein Haus zu kaufen. Das ist für LGBTQIA+ Menschen natürlich nicht der Fall), den andere Menschen nicht gutheißen – fühlt sich auch irgendwie nicht gut an. Aber dass es das gibt, weiß ich seit langem, und grundsätzlich kann ich mit dieser Ablehnung um- und ihr notfalls aus dem Weg gehen.

Aber hier gibt es plötzlich eine oder zwei Dimensionen mehr. Und die haben meine Emotionen in dieser Woche ziemlich hochkochen lassen.


Diese Flagge war sozusagen mein Baby. Vor 4 Jahren war ich Teil der Gruppe, die das Hissen der Flagge als Zeichen für Offenheit und Toleranz im Unternehmen angeregt und eingeführt haben. Das hat mich stolz gemacht und mir noch ein Stück Freiheit und inneren Frieden geschenkt – zu wissen, dass ich in einem solchen Umfeld arbeiten und in einem solchen Land leben darf, in dem das möglich ist. Jetzt zu hören, dass Menschen (die hoffentlich, hoffentlich nicht direkte Kolleg*innen waren – was aber am Ende auch keinen Unterschied macht) dieses Symbol meines inneren Friedens zerstören, hat auch ebendiesen ein wenig ins Wanken gebracht und mich mehr erschüttert als ich dachte.

Die zweite Dimension: Die von mir oft nur abstrakt und unpersönlich wahrgenommene Ablehnung ist plötzlich ganz nah. Inmitten von zwei rheinischen Großstädten, einer Region die für ihre Liberalität bekannt ist, auf dem Gelände, auf dem ich jahrelang täglich ein- und ausgegangen bin, dort passiert plötzlich etwas, was ich so nie erleben musste. Hass und Gewalt, die nicht nur unter die Haut geht, sondern plötzlich auch ziemlich nahe an meine äußeren Haut kommt. Ich erinnere mich an Diskussionen und die gut gemeinte Frage von Kolleg*innen, ob wir in unserem Unternehmen denn wirklich unsere LGBTQIA+ Kolleg*innen noch unterstützen müssten, in diesem liberalen Umfeld. Nun – offenbar gibt es diesen Grund heute mehr denn je, wenn Gewalt plötzlich im wahrsten Sinne des Wortes vor der Haustür stattfindet.


Warum schreibe ich das alles? Weil mir am eigenen Leibe sehr klar geworden ist, dass es manchmal mehr braucht als das gesprochene Wort und kollektive Entrüstung, um gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeiten vorzugehen. Viele Reaktionen auf dieses Ereignis waren Ärger, Schock und ein Kopfschütteln gegenüber den Angreifern. Aber nur sehr wenige haben verstanden, dass es für mich als (in diesem Fall) betroffene nicht um das Kopfschütteln gegen die „Angreifenden“ geht, sondern um Empathie und Schutz der Angegriffenen geht. Ich bin denjenigen unendlich dankbar, die sich nach meinem Wohlergehen erkundigt und mich aufgemuntert haben, weil sie verstanden haben dass es diese zusätzlichen Dimensionen in mir gibt, die das Ereignis für mich zur persönlichen Verletzung haben werden lassen, und die nicht „nur“ das Ereignis an sich verurteilt haben.

Ich habe ein paar Tränen vergossen – und gelernt. Dass wir als Allies (übrigens von sämtlichen Arten der Diskriminierung) am meisten bewirken können, wenn wir Betroffene ernst nehmen, annehmen und empowern. Wenn wir Schultern bieten, Rücken stärken und versuchen, die persönlichen Geschichten hinter den Ereignissen zu verstehen und in den Dialog treten.


Und anschließend auf dem CSD kräftig gemeinsam feiern. Denn auch das ist wichtig: Lasst uns das bunte, wunderbare Leben feiern, unsere Unterschiede genauso zelebrieren wie die Gemeinsamkeiten. Denn am Ende wollen wir doch eigentlich alle das gleiche: Inneren Frieden.


Haltet die Ohren steif! Ich tu‘s auch.




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